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3 GLASFENSTER „GLAUBE“, „LIEBE“, „HOFFNUNG“, 2001, Glas, je 240 x 60 cm | 4 PARAMENTE, 2001–2016, gewebter Stoff, je 153 x 66 cm, Foto: Benedikt Schweizer

Glaube, Liebe und Hoffnung, die christlichen Kardinaltugenden, reichen weit über den einzelnen Menschen hinaus. Sie können einen geistigen Zusammenhang zwischen irdischer und himmlischer Welt herstellen – eine Aufgabe, die im Innern von Kirchenräumen auch die den Betrachter weit überragenden Fenster erfüllen. Die Farben der Glasfenster erhalten ihre Strahlkraft vom natürlichen Licht, das seinerseits bildlich geformt wird, indem es durch die Fenster fällt.

Licht und Werkinhalte gehen eine unmittelbare Synthese zwischen Natur und Kunst ein: Das eine spricht durch das andere. Die Farb- und Formsymbolik Andreas Felgers soll für jeden Kirchgänger verständlich sein: Der Dreiklang aus Blau, Rot und Grün entspricht der kirchlichen Darstellungstradition für die Trias aus Glaube, Liebe und Hoffnung. Die Formen, Hochrechteck und Oval, nehmen die jeweils architektonisch gegebene Fensterform auf, sodass Bauwerk und Kunstwerk zur Einheit werden. Dies unterstreicht die Anordnung der Rechtecke in den äußeren Fenstern, die auf die symmetrische Platzierung der Fenstereinfassungen Bezug nimmt.

Thematisch stimmt diese Glasarbeit Felgers mit den gleichnamigen Holzreliefs im Primus-Truber-Gemeindehaus in Tübingen-Derendingen überein, doch die Charakteristika der Medien und ihre Raumwirkung sind gegensätzlich. Die massiven Holzplatten treten hervor und in Kontakt zum Betrachter, sie vermitteln zwischen Wand und Skulptur mit materieller Präsenz und zeigen eine hohe Farbintensität. Die Nürtinger Glasfenster hingegen wirken immateriell: Ihr architektonisch gerahmter, farbdurchdrungener Lichtraum betont das Transzendente in Liebe, Glaube und Hoffnung.

Autor: Marvin Altner
St. Bernhard Kirche, Nürtingen

3 HOLZRELIEFS: GLAUBE, LIEBE, HOFFNUNG, 2001, Ölfarbe auf Holz, 290 x 40 x 7 cm (äußere Stelen), 300 x 60 x 7 cm (mittlere Stele) | KREUZ, 2001, Holz, 49 x 44 cm | ALTAR, 2001, Lackfarbe auf Holz, H 58 cm, Ø 140cm | LESEPULT, 2001, Lackfarbe auf Holz, 118 x 78 x 72 cm | 3 PARAMENTE, gewebter Stoff, violett: 2001, 116 x 40 cm, grün: 2002, 116 x 38,5 cm, weiß: 2005, 116 x 40 cm | 2 ALTARLEUCHTER, Metall

An einer zentralen Wand des Primus-Truber-Gemeindehauses hängen – hoch aufragend und in ihrer Farbigkeit den Raum bestimmend – drei Holzreliefs von Andreas Felger. Für die elementaren, die göttlichen Tugenden – Glaube, Liebe und Hoffnung – steht eine elementare künstlerische Form. Die drei Platten entsprechen einander in Material, Bearbeitung und leuchtender Farbwirkung, als seien sie Teile eines einzigen Stamms. Sie sind angeordnet wie ein Triptychon mit größerem Mittelteil und symmetrischen Seitenflügeln.

Das Symbol der Liebe steht überragend im Zentrum und lässt sich so als direkte Bezugnahme auf den ersten Korintherbrief lesen: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe“. (1 Kor 13,13 EU) Jede der Tugenden ist in einem anderen Formenvokabular dargestellt. Auf die Hoffnung verweist die Dynamik der Linien natürlichen Wachstums und Lebensflusses. Der Glaube zeigt sich als schmales Rechteck, das sich (so der Künstler) darauf bezieht, dass der christliche Glaube seinen Weg nur durch die Tür Jesus Christus findet: „Ich bin die Tür“.

Die Liebe wird in Form eines Kreuzes dargestellt, das einem goldenen Kreis eingeschrieben ist. Die massiven Hölzer haben unregelmäßige Kanten, Absätze und Einschnitte, welche die Symmetrie der Komposition relativieren. Die vielen Einkerbungen lassen den Betrachter an das Kreuz des christlichen Martyriums denken. Andreas Felgers Reliefwerk korrespondiert so mit dem kleinen hellen Kreuz auf dem Altartisch, das mit seinen Kerben, einer geteilten Ovalform und einem goldenen Kreis die Bildzeichen von Glaube, Liebe und Hoffnung wieder aufnimmt.

Autor: Marvin Altner
Primus-Truber-Haus

GLASFENSTER: BROTVERMEHRUNG, 1986, Glas, 220 x 65 cm | 5 HOLZDRUCKE: „GLEICHNISSE“ (GLEICHNIS VOM FISCHERNETZ, VIERFACHES ACKERFELD, GLEICHNIS VON DER PERLE, SCHATZ IM ACKER, SENFKORNBAUM), 1984, Holzschnitt, je ca. 100 x 70 cm

Wie ein Netz liegen die Bleiruten des Glasfensters Brotvermehrung in der Komposition aus Fischen und Broten, Wasser und Licht. Von unten nach oben betrachtet wird die Darstellung sukzessive heller: Sie setzt mit tiefem Blau ein und lichtet sich zur Bildmitte in Ockerfarben auf, die am Himmel in das Weiß reinen gläsernen Lichts übergehen. Die Farben der Sonnenränder korrespondieren mit denen der runden Brote. Es liegt nahe, daran zu denken, dass das Getreide, aus dem sie bestehen, mit der Kraft der Sonne gewachsen ist und dass Brot und Sonne gleichermaßen dem Menschen Energie zum Leben geben.

Die Trennung von oberer und unterer Bildhälfte in die Elemente des Wassers und der Luft wird durch die nach rechts versetzte Sonne aufgehoben. Von ihr aus führt eine Lichtlinie in leichtem Zickzack bis tief hinunter zu den Fischen, so weit, dass zwischen Licht und reflektierendem Fischleib nicht mehr unterschieden werden kann. Kompositorisch entsteht im Zentrum des Werks eine Kreuzform, die in die vielschichtige Figurenwelt eingelagert ist und sich daher erst auf den zweiten Blick erschließt. Je genauer der Betrachter den Linien folgt, desto mehr Bezüge wird er zwischen den einzelnen Glasformen und den Bildgegenständen insgesamt erkennen können.

Das Wunder Jesu von der Brotvermehrung, die am See Genezareth Tausenden Nahrung spendete, lässt sich zusammendenken mit einem Glaskunstwerk, das umso mehr zu sehen gibt, je länger man schaut. Es nimmt damit auf den Gläubigen Bezug, dessen Glaube wachsen kann, je länger er währt.

Autor: Marvin Altner

Evangelische Kirchengemeinde Hagelloch