Andreas Felger, ohne Titel, 2020
80 x 60 cm, Mischtechnik © AFKS
Andreas Felger, ohne Titel, 2020
80 x 60 cm, Mischtechnik mit Öl © AFKS
OHNE TITEL
2020
Mischtechnik
80 x 60 cm

Wer Werke Andreas Felgers kennt, wird mit Blick auf die beiden hier vorgestellten Bilder sogleich neugierig, weil sie anders sind: Material, Collage-Elemente, Schrift und ein Farbauftrag, der kein Gemälde, aber auch keine Skizze hervorbringt, sondern ungefiltert roh erscheint. Roh ist auch der Malgrund, der großflächig ins Bild einbezogen wurde, grobes Leinen mit eingewebten Streifen in regelmäßigen Abständen. Mit diesem (gebrauchten) Stoff setzt die Collage ein, die Integration bildfremder Elemente in die Kunst, denn er hatte bereits eine andere Funktion als Sack für den Transport im bäuerlichen Leben. Andreas Felger ist in den späten Jahren aufs Land, in sein Elternhaus zurückgekehrt und hier hat man nicht notwendig eine bäuerliche – wie Andreas‘ Vater, Georg Felger – aber doch eine ländliche Existenz und so wird das Sackleinen ein Fundstück gewesen sein, das beklebt und bemalt zugleich als solches erkennbar bleibt.

Dass Bilder sehr persönliche Dimensionen eröffnen, war unter anderem Thema der Ausstellung Lebenslinien. Andreas Felgers Skizzen im Kontext seiner Kunst. Insbesondere die Skizzenbücher erlaubten einen Blick in die Werkstatt des Künstlers, nicht nur materiell, sondern auch gedanklich und emotional. Lebensgeschichte und Werkentwicklung konnten am Beispiel einiger Linien nachvollzogen werden. In ohne Titel hingegen steht das Material im Vordergrund und ob von Andreas Felger intentional oder intuitiv eingesetzt: Die beiden aufgespannten Sackleinen (kunsthistorisch in guter Tradition der Arte Povera) ‚erzählen‘ zusammengefasst eine Werk-Geschichte:

Die Arbeit mit Textilien, roh oder bedruckt, verweist auf die Ursprünge der Kunst Felgers. Die expressive Malerei in oft leuchtenden Farben ebenso wie die geometrische Abstraktion folgten in späteren Jahren. Alle drei Aspekte und schließlich auch die Schrift, die wie ein Aufdruck wirkt, aber bei genauerem Hinsehen als handgemalt erkennbar ist, verbinden sich zu Kompositionen, die ’sperrig‘ sind. Grob aufgetragene Farben, fleckige Leinwand, unregelmäßige Konturen … machen es dem Betrachter nicht leicht, Zugang zu den Bildern zu bekommen. Aber sie bezeugen, wie und womit der Künstler arbeitet, einem grob behauenen Holz vergleichbar, das nicht fürs Glätten und Polieren bestimmt wurde, aber dafür als Werkstück seine eigene Kraft des Materials entfaltet. Darin zeigt sich eine Hommage: an den Vater, an die Ernte auf der schwäbischen Alb mit Säcken voller Äpfel, an die Faszination, die von leuchtenden Farben und ihrer Räumlichkeit auf der Fläche ausgeht – ungeschönt, aber nahe den Ursprüngen.

Text von Marvin Altner

Marvin Altner ist promovierter Kunsthistoriker und Dozent für Kunstwissenschaft an der Universität Kassel. Nach einem Volontariat an der Hamburger Kunsthalle in Hamburg war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator an Berliner und Hamburger Museen sowie als freischaffender Autor im Bereich der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart tätig. Seit 2012 lehrt er an der Kunsthochschule Kassel im Studiengang Kunstwissenschaft und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Andreas Felger Kulturstiftung, unter anderem als Autor, Ausstellungskoordinator und Betreuer der Datenbank der Werke von Andreas Felger.